Unser Mandant studierte an der Hochschule des Bundes. Ein letztes Modul musste er noch bestehen, aber er war im ersten Versuch und im ersten Wiederholungsversuch der Modulklausur durchgefallen. Im Letztversuch hatten er und ein Studienkollege ihre erlaubten Hilfsmittel so präpariert, dass darin wesentliche Informationen für die Lösung der Aufgaben der Klausur zu finden waren und das wurde während der Klausur entdeckt.
Als wir mandatiert wurden, konnten wir zunächst noch den ersten Wiederholungsversuch anfechten und anschließend die Bewertung des zweiten Wiederholungsversuches als nicht bestanden wegen Täuschung. Die Hochschule des Bundes hatte darüber hinaus wegen einer von ihr gesehenen besonderen Schwere des Täuschungsversuchs den endgültigen Verlust des Prüfungsanspruchs verfügt.
Unsere Widersprüche gegen alle diese Entscheidungen wies die Hochschule des Bundes zurück.
In der mündlichen Verhandlung der anschließenden Klageverfahren konnten wir das Blatt aber wenden:
Wir hatten im Widerspruchs- und anschließend vertieft im Klageverfahren mehrere Fehler im Prüfungsverfahren geltend gemacht. So fehlte aus unserer Sicht beispielsweise eine Bestimmung des prüfungsrelevanten Stoffes in der Prüfungsordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes muss der prüfungsrelevante Stoff normativ, also durch Rechtsnorm – hier folglich in der Prüfungsordnung – bestimmt sein. Dabei ist streitig, ob dieser sich aus dem Lern- oder Lehrstoff ergeben muss, was aber egal ist, wenn die Festlegung ja schon überhaupt nicht erfolgt. Und das war hier der Fall. Das sah der Vertreter der Hochschule des Bundes, ein Professor für Strafrecht und Beamtenrecht, allerdings anders, denn aus der Modulbeschreibung im Modulhandbuch ergab sich, worin das angestrebte Qualifikationsziel bestehen sollte und dass in der Lehrveranstaltung selbst der Prüfungsstoff konkretisiert werde. Dann wurde es abenteuerlich: Außerdem könne der Prüfungsstoff auch „durch Verwaltungsakt normativ bestimmt werden.“ Nun war das Modulhandbuch schon weder als Rechtsnorm noch als Verwaltungsakt erlassen. Vollkommen daneben war aber die These, eine normative Bestimmung könne durch Verwaltungsakt erfolgen, denn bereits in der Lehrveranstaltung zum Verwaltungsrecht allgemeiner Teil (das ist das kleine Einmaleins im öffentlichen Recht) lernen Studierende der Rechtwissenschaften, dass die Norm abstrakt-generell, der Verwaltungsakt hingegen konkret-individuell wirkt und damit das komplette Gegenteil von einer Rechtsnorm ist.
Weiter ging es damit, dass die Prüfenden bei der Hochschule des Bundes in einem vollkommen undurchsichtigen und nicht mehr nachvollziehbaren Verfahren den einzelnen Prüfungen zugeteilt werden. Die Hochschule des Bundes behandelte diese Frage ohne jede Sorgfalt, Protokolle oder Unterlagen hierüber konnten nicht vorgelegt werden. Sie konnte nichteinmal Dokumente vorlegen, aus denen sich ergab, dass überhaupt eine Bestimmung der Prüfenden erfolgt war, geschweige denn, durch wen. Es ging sogar in der mündlichen Verhandlung so weit, dass ein anderer Vertreter der Hochschule des Bundes ausführte, ihm würden die Vorschläge für die Prüfenden, die eine bestimmte Prüfungsleistung zu bewerten hätten, vorgelegt, und er stimme dem dann zu oder eben nicht. Das passte bereits überhaupt nicht zu dem vorangegangenen schriftsätzlichen Vortrag der Hochschule des Bundes, wonach die Dozentinnen und Dozenten frei untereinander absprachen - auf dem Flur, zwischen Tür und Angel oder per E-Mail -, wer welche Prüfungsleistungen bewertet. Aber unser Einwand, wenn ihm doch die Vorschläge vorgelegt würden, warum wir sie denn dann nicht auch als Dokumentation für einen fehlerfreien Bestellungsvorgang vorgelegt bekommen, wurde mit der Darstellung quittiert, das sei mündlich erfolgt. Mündlich vortragen kennen wir, mündlich vorlegen, nun ja, da muss man erstmal drauf kommen. Hier wurde es auch dem Gericht zu bunt. Es wies drauf hin, und auch das entspricht dem kleinen Einmaleins des Verwaltungsrechts, dass die Prüfendenbestellung durch das richtige Organ zu erfolgen hat und dies auch dokumentiert werden muss, weil im Verwaltungsrecht die Grundsätze einer vollständigen Aktenführung gelten. Diese Grundsätze sind nämlich gerade dazu da, nachträglich die fehlerfreie Behandlung der Angelegenheit beweisen zu können. Und es deutete an, dass hier aufgrund der fehlenden Dokumentation und der daraus folgenden Nichterweislichkeit der ordnungsgemäßen Prüfendenbestellung durch das zuständige Organ durchaus ein beachtlicher Fehler gesehen werde, der erst durch eine fehlerfreie Neubestimmung aus der Welt geschaffen werden müsste.
Dann waren die angefochtenen Bescheide zum Teil so gefasst, dass aus ihnen nicht hervorging, welche Behörde sie erlassen hat. Im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und der Länder heißt es hierzu, dass ein solcher Verwaltungsakt nicht nur rechtswidrig, sondern sogar nichtig ist. Und ja, wir unterhalten uns noch immer über Maßnahmen der Hochschule des Bundes und auch hier wieder über das kleine Einmaleins des Verwaltungsrechts.
Nicht zu leugnen war jedoch, dass unser Mandant getäuscht hatte. Damit stellte sich eine Frage, die schon die gesamte Zeit wie der sprichwörtliche Elefant im Gerichtssaal stand und die bislang noch nicht von den Obergerichten eindeutig entschieden wurde, nämlich: Kann in einem Prüfungsverfahren, in dem die Prüfungsaufgabe bereits nicht verfahrensfehlerfrei gestellt wurde, überhaupt getäuscht werden? Oder fehlt nicht bereits eine rechtmäßig gestellt Aufgabe, weswegen die Prüfungsleistung, mag sie unter Zuhilfenahme unzulässiger Hilfsmittel zustandegekommen sein oder nicht, bereits von vorneherein nicht der Bewertung zugänglich ist?
Es war nun klar, dass unser Mandant jedenfalls einen Teilerfolg erringen würde, denn die Bescheide, die schon nicht erkennen ließen, welche Behörde sie erlassen hatte, würde die Kammer aufheben und zudem müsste die Hochschule des Bundes erneut und in einem fehlerfreien und dokumentierten Verfahren Prüfende für die Bewertung der Prüfungsleistungen bestellen. Anschließend würden wir die Frage, ob bei einer fehlerhaft erstellten Klausur getäuscht werden kann, vor einem Obergericht klären lassen, mit durchaus ungewissem Ausgang.
Nach über drei Stunden mündlicher Verhandlung gelang dann eine vergleichsweise Einigung dahingehend, dass unser Mandant einen weiteren Prüfungsversuch für das Modul erhalten wird.
Dr. Jürgen Küttner steht Ihnen insbesondere im Prüfungsrecht und im Beamtenrecht als hochqualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung.